Weil Vitamine wichtig sind!

Motiviert und nach einem Minifrühstück aus der Abteilung Schokoriegel geht’s heute los auf den Weg. Kein Kaffee vor dem Start ist immer etwas schwierig. 😭☕ Doch da der Camino anfangs durch Stadtgebiet führt bin ich guter Hoffnung. Zuerst durch die Straßen von Déols entdecke ich relativ schnell eine Bar und gönne mir einen Espresso 😍Koffeinlevel halbwegs gefüllt. Weiter geht’s in Richtung Châteauroux – die beiden Städte gehen direkt ineinander über. Plötzlich fällt mir ein, dass ich im Kühlschrank in der Herberge meinen Couscous-Salat stehen lassen habe. Mist, gestern extra noch die Gemüsevariante gekauft als sinnvolle gesunde Pasta-Alternative. Weil Vitamine wichtig sind! Zurücklaufen? Ne, komm lass mal – habe noch Macaroni im Rucksack. 🙊 🍝

Kirche Saint-André in Châteauroux

Leicht trauere ich noch dem verlorenen Couscous hinterher und ertränke daraufhin meinen Frust in einem zweiten Espresso und einer Limonade in Châteauroux. Da ich heute nur etwas mehr als 20 Kilometer vor mir habe, kann ich mir Zeit lassen. ❤️ Genug Zeit scheint auch der Franzose an der Bar zu haben, der mir mit Weinglas in der Hand Geschichten über deutsches Bier und Schnaps erzählt. Ich verstehe ungefähr 5%. Die Bedienung, welche wohl knapp 10% versteht erklärt ihm nochmals, dass er langsamer reden muss und einfache Worte benutzen soll. Danach verstehe ich 7%, packe meine Sachen und laufe freudig und ohne nennenswerte Alkoholerkenntnisse weiter. 🏃‍♂️👣 Kurzzeitig fängt es an zu regnen und ich freue mich als es in den Wald geht. Dort liegt heute auch der längste Abschnitt der Tagesetappe. 🌳🍂 Direkt am Eingang des Waldes liegt erstmal ein Baum komplett quer über den Weg. Geschmeidig wie ein Gnu bleibe ich natürlich im Astwerk hängen aber schaffe es letztendlich doch hindurch. Nicht ganz klar war mir, dass bereits einen Kilometer später nochmals ein Baum auf dem Weg liegt. Dafür ist der Weg ansonsten aber sehr ruhig, breit und gut zu laufen. 🙏

Erstes Hindernis – rechts sieht man noch den verdeckten Wegweiser 🤔
Und Nummer Zwei – nach dem Jakobsweg bin ich dann bereit für den Zirkus oder die Sendung Ninja Warrior!
Schöner Herbstcamino! 🌠

Danach läuft alles reibungslos – keine wilden Tiere, keine wilden Jäger. Nur die Bäume, viele Blätter und ich. 🍂 Bereits am frühen Nachmittag komme ich an meinem Zielort an und bin in einer Herberge für bis zu 14 Pilger. Die anderen 13 sind aber wohl unterwegs verloren gegangen und so bin ich alleine. 🤷‍♂️ Überraschung! 😜 Am Nachmittag gehe ich noch in den örtlichen Tante-Emma-Laden um den Verlust vom Morgen vielleicht doch noch zu kompensieren. Leider finde ich nichts wirklich hilfreiches und so werden es nur diverse Limonaden und etwas Obst(Vitamine!). 🍊🍏🍐 Zurück in der Unterkunft entdecke ich dann aber im Regal eine Konservendose Sauerkraut französischer Art mit Würstchen drin. Ein wahrer Vitaminschock, ein Gaumenschmaus in Konservenform! Ich entscheide dass dieser Tag als Sauerkrautwunder von Velles in die Geschichte eingeht, werfe 2 Euro in die Kasse und schmeiße den Herd an. Im Anschluss daran noch eine Portion Asianudeln, die ich seit 10 Tagen mit mir im Rucksack schleppe. Wohl genährt und voller Vitamine sitze ich auf dem Sofa und lasse den Tag ausklingen! Ich bin gespannt auf morgen, wünsche euch eine gute Nacht und buen camino! 🏃‍♂️🌠

Kirche von Velles, links dahinter liegt meine Unterkunft, Schauplatz des berühmten ‚Sauerkrautwunders‘ – Guts Nächtle!

Weihnachtsmann auf Abwegen

Bereits um 7.00 Uhr gibt’s Frühstück in der Bar, über der ich nächtigen durfte. Also sitze ich da und schiebe mir zu meinem Kaffee erst ein Schokobrötchen und danach ein Marmeladencroissant zwischen die Kiefer. Ohnehin hat mein Marmeladenkonsum hier in Frankreich den absoluten Hochpunkt meines Lebens erreicht. Was Anderes gibt’s hier aber auch nicht zum Frühstück – also rein damit ins Göschle! 😜🥐 Ich warte noch bis 08.00 Uhr mit dem Start, denn davor ist es dunkel. Eine Dame in einem der Nachbarhäuser sieht mich im roten Mantel und sagt sie dachte, ich wäre der Weihnachtsmann. 🎅🤷‍♂️ Nicht ganz – andere Baustelle, hier geht’s um Jakob! 😜 Pünktlich kommt die Sonne raus und begrüßt mich mit einem schönen Sonnenaufgang. Durch kleine Wälder und über viele Feldwege geht’s los und ich treffe wieder einige Hasen, die fröhlich über die Felder hoppeln. 🐇 Heute seid ihr glaube ich sicher Jungs!

Sonnenaufgang nahe Issoudun…
… und ein Camino der auf den ersten Kilometern angenehm zu laufen ist. 🌠👣

Nach ca. 10 Kilometern geht es los mit dem Regen. Erst nieselt es nur, dann wird es immer stärker. Gut verpackt laufe ich trotzdem weiter über die matschigen Wege. Teilweise geht es auch wieder direkt an vielbefahrenen Straßen entlang – bei dem Wetter bleibe ich durchgehend auf dem linken Grünstreifen und nehme ein bissle Tempo raus – man muss so ein Ambiente (Dauerregen/Autobahnpilgern) auch mal auskosten. 🤪🚙🌧️ Als ich wieder auf einem Feldweg lande sehe ich bereits von weitem sehr viele Wohnwägen und provisorische Häuser am Wegesrand. Kurze Zeit denke ich, es wäre ein Campingplatz, aber als ich näher komme merke ich, wie das Bild in meinem Kopf bröckelt. Die Häuser und Wägen sind kaputt und zerfallen, viele Scheiben ebenfalls und überall liegt Müll. Zwischen den Gebäuden sehe ich einzelne Menschen laufen, auch einige magere Hunde und ein Pferd. Tatsächlich wohnt hier wohl eine große Gruppe Menschen, inklusive Kinder – unglaublich. 😵 Als ich die ‚Siedlung‘ passiere bellt ein Hund, dann noch einer und 2 Sekunden später rennen 3 Hunde bellend auf mich zu. Kurz bin ich überfordert und hebe den Stab schonmal warnend etwas nach oben. Wegrennen ist nicht drin. Da schreit eine Frau laut mehrere undeutliche, nicht französisch klingende, Ausdrücke und beim dritten Mal bleiben die Hunde ca. 10 Meter vor mir endlich stehen, bellen nochmals und drehen um. Okay! 🤤🐺🐶 An einer zweiten ähnlich katastrophalen Minisiedlung laufe ich kurz darauf etwas schneller vorbei und bin froh als wieder der normale Weg beginnt…

Regen satt – da werden wenigstens die Sachen vielleicht mal etwas sauber! 🌧️
Den ohnehin schon matschigen Wegen macht der zusätzliche Regen nicht so viel aus.

Nachdem ich unterwegs noch an einer Mini-Weihnachtswelt einer Grundschule vorbeikomme fühle ich mich, nach dem Vergleich von heute früh, noch mehr als Weihnachtsmann. So ein Rentierschlitten wäre jetzt was Feines für die letzten Kilometer. 🦌 An meinem Zielort ist die Unterkunft leider verschlossen. Bei der Kontaktadresse (Museum) ist ebenfalls heute zu. Also versuche ich mein Glück im Rathaus. Ich stelle mich mit beeindruckendem Französisch vor: ‚Hallo mein Name ist Michael, ich bin nicht der Weihnachtsmann. Ich bin Pilger.‘ 🎅 Fragende Blicke der beiden Damen an der Info 🤔 Der Gag kam nicht so ganz an – wahrscheinlich sehe ich nach den 35 Kilometern durch Regen und Matsch auch entsprechend seriös aus und rieche auch so. 🤷‍♂️ Ohne Weihnachtsmanngeschichte klappt es dann – die beiden organisieren einen Hausmeister der mir die Herberge öffnet. Aufs Rathaus ist eben Verlass, Freunde der fröhlichen Verwaltungsarbeit! ❤️ So gibt’s von mir heute viele Grüße aus Déols und euch allen eine gute Nacht und buen camino! 🏃‍♂️🌠

Weihnachtswelt mit meinem Traumschlitten 🤗 hoffentlich kommt hier kein Jäger vorbei?
Und schließlich der Ortseingang von Déols 🏁 Tagesziel erreicht!

Ein Sonntagsspaziergang

Gut gelaunt und bei bestem Wetter stehe ich um 7.00 Uhr auf. ☀️ Da ich bereits um 8.15 Uhr aus der Herberge sein muss, aber nur 15 Kilometer vor mir habe gibt’s erst mal einen Zwischenstop beim Bäcker in Charost, für ein belegtes Baguette, Kaffee und eine Cola. 😎 Den Kaffee gibt’s sofort, den Rest verstaue ich für eine kleine Pause im Rucksack. Ich verlasse den Ort und der Weg führt am Ortsausgang an einem Mini-Waldstück vorbei. Natürlich steht, wie es der Sonntag in Frankreich quasi verlangt, direkt ein Jäger auf der Straße – wir sind ca. 200 Meter vom Ort entfernt. Mit Gewehr auf dem Rücken und Hund an der Leine, versichert er mir, dass der Weg frei ist. 🤷‍♂️ Na dann!

Kirche in Charost
Ankunft im nächsten kleinen Ort Saint Georges.

Im nächsten kleinen Ort, den ich nach ca. 3 Kilometern erreiche ist es mir noch zu früh für eine Pause. Sicher kommt irgendwann mal unterwegs eine Bank. 🤔 So geht es danach über viele Feldwege, Acker und matschige Wege in Richtung Issoudun. 🏃‍♂️

Sonnenschein und Matschwege…
… sowie die einzige weitere nennenswerte Ansammlung von Bäumen am Weg. 🌳🌲

Kurz verlaufe ich mich auf einem Matschweg ohne Wegzeichen – ich drehe um und merke, dass die Richtung beim zweiten Versuch stimmt. Plötzlich sehe ich am Boden die Überreste von 5 Hasen liegen – überwiegend Köpfe. Na Mahlzeit! 😢🐇 Ich höre wieder einige Schüsse, kann aber nicht zuordnen aus welcher Richtung sie kommen – jedenfalls scheinen hier heute die Mümmelmänner auf der Liste zu stehen. Nach einigen weiteren Kilometern über die Feldwege, auf denen ich auch tatsächlich mehrere Hasen über die Felder hoppeln sehe, entdecke ich 2 Männer mit Hund auf einer Wiese. Beim Näherkommen sehe ich die Gewehre, und dass die 3 langsam über die Wiese schleichen und scheinbar die Löcher der Hasenbauten begutachten und auf die Beute warten. Ich grüße per Handzeichen und erhalte keine Antwort. 🤷‍♂️ Mögen die Hasen im Loch bleiben!

An einem Bauernhof begegnen mir weitere Fußgänger, die ähnlich watscheln wie ich. 🦆Ich denke es sind dennoch keine Pilger.

Letztendlich kann ich meine geplante Pause erst am Ortseingang von Issoudun machen, denn es kam eben doch keine Bank auf den letzten 10 Kilometern. 😜 So genieße ich mein Baguettesandwich und die Cola, bevor ich die restlichen Meter zur Unterkunft laufe. Heute gibt es keine Küche und somit keine Pasta 😱, sodass ich auf eine alternative, standesgemäße, kraftspendende und traditionelle amerikanische Pilgerspeise zurückgreife. 🤔

Big McJacob

Es war entspannt heute – morgen geht’s dann hoffentlich wieder etwas weiter. Trotzdem bin ich froh wieder einen (kleinen) Schritt vorwärts gekommen zu sein. 😊 Euch allen einen schönen Abend und morgen einen guten Start in die Woche! Buen camino! 🏃‍♂️🌠