Eigentlich wäre die Geschichte zum Tag relativ schnell erzählt, wenn mir nicht bereits relativ zu Beginn des Tages ‚Jean‘ begegnet wäre. Doch der Reihe nach. 🤭 Wie bereits gestern so soll es auch heute den ganzen Tag fast durchgehend regnen. Anfangs stört das nicht viel, da ich zu Beginn erstmal über Felder und kleine Waldabschnitte Négrondes verlasse. 🏃♂️ Neben einem Bauernhof sehe ich dann mal wieder einen, nicht gerade kleinen, Hund, auf mich zurennen. 🐕 Eine Wadenattacke gleich zum Start? Mitnichten! Wir stellen uns kurz vor, ich vermute er heißt Jean, ist Franzose mittleren Alters und lebt auf einem Bauernhof in Waldnähe. Ein echter Naturbursche! Außerdem mag er Pilger und begleitet sie gerne ein Stückchen, damit sie sich nicht verlaufen. 😍 Insgesamt läuft er ca. 40 Minuten mit mir über Felder, bis er irgendwann denkt, dass ich meinen Weg von dort selber finde – und er dreht um. Danke Jean für die nette Begleitung! ❤️


Nach dem Meeting mit Jean geht es nur noch an der stark befahrenen Landstraße entlang. Das ist zwar nicht der offizielle Camino, allerdings kann ich so, laut den Herbergseltern von gestern die zahlreichen Jäger umgehen und muss kein ‚unnötiges Risiko‘ auf mich nehmen. So läuft es sich dann auch entsprechend trostlos. Regen, zahlreiche Autos, wenige Pausenmöglichkeiten. Jede Bushaltestelle mit Bank nutze ich für eine kurze Trockenpause! 🥳 Nach ca. 15 Kilometern merke ich wie meine Füße schon wieder richtig nass sind. Wie bereits gestern? Das kann doch nicht sein? Ich bin durch keine Bäche gestapft und von oben kann durch die wanderhose auch nichts reinlaufen. 🤔Die Schuhe werden doch nicht etwa? Ich werde mir das in der Unterkunft mal genauer anschauen… Erstmal geht’s weiter, auf der Straße stehen Warnschilder für eine größere Jagd im vorausliegenden Abschnitt. Na danke! Jäger, Hunde und Wildschweine sehe ich nicht – dafür aber ein Auto voller junger Leute, die anbieten mich mitzunehmen. Das ist zwar wirklich richtig lieb, aber ich laufe lieber klitschnass und mit leuchtender Stirnlampe weiter am linken Fahrbahnrand in Richtung Périgueux. 🏃♂️☔ Durch das durchgängige Laufen auf der Straße bin ich aber wenigstens ein bisschen kürzer unterwegs, insgesamt heute nur 26 Kilometer, anstatt 29 Kilometern auf dem offiziellen Camino, der allerdings auch auf den letzten Metern auf meine Landstraße einfädelt. 🙏


Irgendwann erreiche ich endlich die Vororte von Périgueux. An einer Bushaltestelle wage ich ein Experiment und ziehe meinen rechten Schuh aus. Danach den Socken. Und ich kann ihn richtig schön auswringen. 💦 Ein Autofahrer schaut schockiert beim Vorbeifahren – ein weiterer lacht herzlich. 🤷♂️ Leute, wir haben ein Problem. 🙄 Nachdem ich noch Zeit habe bevor ich in die Unterkunft kann, genehmige ich mir noch ein Sandwich und einen Espresso am Bahnhof. Ein Glühwein am Weihnachtsmarkt wäre zwar auch eine Option, allerdings wirke ich nach der pitschenassen Tageswanderung leicht fertig und nicht sonderlich vertrauenswürdig. Ich entschließe mich also zum Wohl der Allgemeinheit dagegen, um nicht eine spontane Massenpanik auszulösen! 🎅

In der Herberge werde ich dann freundlich empfangen, erhalte auch einen kleinen Apfelkuchen und etwas Proviant fürs Frühstück. Nach einer schönen warmen Dusche untersuche ich die Schuhe und stelle mit Entsetzen fest, dass beide Sohlen bereits mehrere Löcher haben. Nach 33 Tagen und gerade mal ca. 820 Kilometern scheinen sich die ’neuen‘ Treter bereits zu verabschieden. Ich brauche also einen Plan für morgen, denn wenn die Schuhe so durchlässig sind kommen immer mehr Blasen durch die aufgeweiche Haut und die Gefahr, dass die bereits vorhandenen Blasen durchdrehen steigt enorm. 🥴 Schauen wir also mal, was passiert. Wie es genau läuft weiß ich noch nicht. Schuhmacher? Sportcenter? Barfußpilger? Wir werden sehen! Gute Nacht aus Périgueux und buen camino! 🏃♂️🌠